Osnabrück, Theater am Domhof, Geister - Tanzabend - Ben J. Riepe, IOCO Kritik, 10.12.2019

Osnabrück, Theater am Domhof, Geister - Tanzabend - Ben J. Riepe, IOCO Kritik, 10.12.2019
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Theater Osnabrück

Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd
Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd

Geister  - tanzen auf dem Vulkan

- Spaßgesellschaft auf dem Weg in den Untergang -

von Hanns Butterhof

Der Düsseldorfer Choreograph Ben J. Riepe zeigt mit der Dance Company Theater Osnabrück die Uraufführung des eindringlichen Tanzabends Geister (Say Goodbye). Es ist ein starkes Stück über den Untergang der Welt, wie wir sie kennen, und stellt im Theater am Domhof etwas plakativ unsere Geisteshaltung dar, die daran Schuld ist.

Auf der ausgeräumten, tiefschwarzen Bühne ist das elfköpfige Ensemble in weißen Kostümen (Bühne und Kostüme: Ben J. Riepe und Gwen Wieczorek) ständig präsent. Alle sind einzeln, nie kommt es zu unisono Bewegungen, und uniform sind sie verschieden, ohne dass die Kostümierung sie besonders charakterisieren würde.

Geister - Tanz von Ben J. Riepe youtube Trailer Theater am Domhof [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Eine Figur (Laura Martin Rey) etwa ist mit Flügeln ausgestattet. Ob sie ein Engel ist oder nur sein will, bleibt offen. Vielleicht ist sie auch eine Urlauberin, die mit einem Billigflug die schützende Ozonschicht ruiniert, so wälzt sie sich lächelnd über einen großen Ball, der die Erde sein könnte.

Ähnlich unbestimmt ist die Gestik der Einzelnen. Begleitet von der Musik Misagh Azimis, die mit schmerzenden Streicher-Glissandi beginnt, im Verlauf des Abends elektronischer, lauter und dringlicher wird, exponieren sich die Tänzer wie auf einer Party. Ihre Bewegungen sind grotesk und unharmonisch, einzelne Körperteile werden isoliert. Wer hervortritt und sich als Individuum kenntlich machen will, tut dies in einer fremden Sprache. Zudem wird er vom nächsten übertönt, der ebenso vergeblich seine Besonderheit darstellen möchte. Um diese Figuren herrscht absolute Einsamkeit; sie selber aber tragen ständig ein demonstratives Lachen im Gesicht.

Mehrmals quert eine Polonaise die Bühne von hinten rechts nach vorne links. Wer vorne angekommen ist, reiht sich hinten wieder ein, so dass eine unendliche Menschenkette entsteht, die sich lachend oder mit gierig aufgerissenen Mündern nur an sich selbst erfreut: ein gespenstisches Bild der verantwortungslosen Spaßgesellschaft auf ihrem Weg in den Untergang, der ein Tänzer (Neven Del Campo) auf hohen Plateauschuhen steif und unerbittlich kreisend die verrinnende Zeit abzählt.

Theater am Domhof / Geister - Tanzabend -hier : die Horde lagert in Resten der Zivilisation © Joerg Landsberg
Theater am Domhof / Geister - Tanzabend -hier : die Horde lagert in Resten der Zivilisation © Joerg Landsberg

Als aus dem Schnürboden rote Baumgerippe und drei Monitore herunterfahren, auf denen in Endlosschleife Wälder brennen und Indios vergeblich gegen die Zerstörung ihres Lebensraums protestieren, legen die Tänzer ihre Kostüme ab. Darunter erscheint die nackte Bestialität. Unter schrillem Kreischen beschaut sich ein Menschenaffe (Hampus Larson) Posen schamloser Paarungsbereitschaft der Gruppe, die inzwischen den aufrechten Gang aufgegeben hat. Wenn dann alle schreiend einstimmen, klingt das nicht nach glücklicher Befreiung aus gesellschaftlichem Zwang, sondern wie Wehgeheul.

Am Ende wird das Licht warm, das Ensemble lagert (Foto oben)  in Trümmern der Zivilisation harmonisch wie eine zufriedene Löwenhorde - eine Utopie des Zurück zur Natur oder das, was nach uns übrig bleibt?

Hier hätte Mauro de Candias kurzes Vorspiel Traum im Traume eine Antwort sein können: Die Schatten, die er hinter einem fast blickdichten Vorhang herumgeistern lässt, sind wohl das, was von uns bleiben wird.

Nach gut achtzig Minuten intensiven Tanztheaters langdauernder Beifall des betroffenen, aber kaum ergriffenen Publikums für das Ensemble, das die ihm fremde Tanzsprache Ben J. Riepes bravourös zum Ausdruck gebracht hatte.

Geister, Tanzabend im Theater am Domhof, Osnabrück; die nächsten Termine: 14. und 26.12. jeweils 19.30 Uhr, am 29.12. um 15.00 Uhr.

---| IOCO Kritik Theater Osnabrück |---

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