Dresden, Staatskapelle Dresden, ZDF-Silvesterkonzert - Eine Nachlese, IOCO Kritik, 06.01.2109

Dresden, Staatskapelle Dresden, ZDF-Silvesterkonzert - Eine Nachlese, IOCO Kritik, 06.01.2109
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Sächsische Staatskapelle Dresden

Semperoper Dresden / © Matthias Creutziger
Semperoper Dresden / © Matthias Creutziger

Froher Jahreswechsel - Die Staatskapelle Dresden und Franz Welser-Möst

- Christine Schütze und Sky de Mont moderieren launig, was man zu Operetten so wissen sollte -   TV-Kamerateams stören das Event für Besucher vor Ort

Von Thomas Thielemann

Weil der Chefdirigent im fernen Wien sich mit den dortigen Philharmonikern an der leichten Muse versucht, holte sich die Staatskapelle Dresden für ihr ZDF-Silvesterkonzert 2018 mit dem musikalischen Leiter Franz Welser-Möst einen profunden Kenner der klassischen Wiener Operette.

Was wäre ein Silvesterkonzert ohne die Highlights der Operette Die Fledermaus von Johann Strauß. Welser-Möst hatte in seiner vergangenen Tätigkeit mehrfach Gelegenheit, sich mit den unterschiedlichsten Interpretationen dieses Paradestück der Wiener Operetten zu beschäftigen, so auch 2008 in Zürich mit Michael Stürmingers „Dracula-Inszenierung“. Aber im Silvesterkonzert wurden tiefgründige Zeitbezüge oder Gesellschaftskritiken nicht gefragt.

Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 © Matthias Creutziger
Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 © Matthias Creutziger

Die Ursprünge der Fledermaus sind übrigens in Sachsen zu suchen. Der Leipziger Schriftsteller Roderich Benedix hatte die Idee für eine Posse ausgearbeitet und 1851 in Berlin unter dem Titel Das Gefängnis zur Aufführung gebracht. Henry Meilhac und Ludovic Halèvy übernahmen 1872 diesen Stoff in ihre Komödie Le Réveillon für Aufführungen in Paris. Der in Königsberg gebürtige Carl Haffner erhielt den Auftrag, das in Paris so erfolgreiche Stück für das Theater an der Wie“ dem örtlichen Geschmack anzupassen. Ein Erfolg stellte sich allerdings erst ein, als der aus Danzig stammende Komponist und Librettist Richard Genée das Stück mit Melodieskizzen des Johann Strauß kombinierte und kreativ ergänzte. So stammt auch die Melodie des Chorwalzers „Brüderlein und Schwesterlein“ von Genée.

Eine halbszenische Aufführung auf einer Konzertbühne ist immer etwas heikel, weil nur wenig Platz zur Verfügung steht. Wenn dann noch Kameratechnik in das Geschehen eingreift, so ist das zumindest der Freude der Konzertbesucher abträglich. Am Silvestervorabend sollten ausschließlich die Melodien des Johann Strauß für Stimmung und Unterhaltung sorgen, so dass man auf die Dialoge verzichtete. Deshalb erklärte das Moderatoren-Paar Christine Schütze und Sky de Mont, was man so wissen sollte.

Bereits mit der Ouvertüre wird offenbar, dass hier ein glänzend aufgelegtes Orchester auf einen Dirigenten, der Wiener Schmäh und tänzerischen Esprit der Partitur beherrscht, getroffen war. So forsch und zugleich leicht hat man die Ouvertüre selten gehört. Welser-Möst beschränkt sich dann auch nicht auf ein "leichtfüßiges Tänzeln" durch die Partitur. Konsequent und mit einer gewissen Strenge treibt er die Musiker durch die eben nicht nur walzerselige Musik und strafft auch die Übergänge, so dass das Stückwerk des Programms, letztlich trotz des häufigen Zwischenbeifalls, elegant und geschlossen wirkt.

Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 - hier :  Ensemble und Orchester © Matthias Creutziger
Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 - hier : Ensemble und Orchester © Matthias Creutziger

Die Sänger-Besetzung an diesem Abend war absoluter Luxus. Besonders gespannt war das Auditorium, wie Jonas Kaufmann sein Rollendebüt als Gabriel von Eisenstein bewältigen wird. Seine Anhängerinnen und Anhänger werden mit seinem  souveränen und weltmännischen Auftreten  schon ordentlich zufrieden sein. Stimmlich hatte sein Tenor allerdings nur wenig Operettenschmelz zu bieten. Für meinen Geschmack wäre er als Alfred möglicherweise besser eingesetzt gewesen.

Mit Rachel Willis Sørensen, von 2012 bis 2015 Semperoper- Ensemblemitglied,  hatte er eine erfahrene Partnerin zur Seite, die derzeit an der Deutschen Oper die Rosalinde im Repertoire singt. Die Rosalinde der Amerikanerin ist einfach großartig: ihre Stimme hat eine strahlende glockenklare Höhe verfügt aber auch über die notwendige Tiefe im Csárdás „Klänge der Heimat“, zeigt dabei auch Freude an der Komödiantik des Geschehens.

Andreas Schager war ein charmant-überdrehter Alfred, der seinen Tenor mit den erforderlichen Übertreibungen komödiantisch zur Geltung bringen konnte. Seine Erfahrungen der Operettenzeit waren unverkennbar. Warum er seine schöne Introduktion gar so entfernt, kaum hörbar singen musste, blieb allerdings unklar.

Die mit großen Vorschusslorbeeren bedachte Haus-Koloratursopranistin Tuuli Takala hatte krankheitshalber absagen müssen. Dafür war extrem kurzfristig Nikola Hillebrand vom Nationaltheater Mannheim, die dort im Repertoire als Adele eingesetzt ist, gewonnen worden. Locker und sicher spielte und sang sie sich mit einem schön timbrierten Koloratursopran durch den Abend.

Der Prinz Orlofsky von Elisabeth Kuhlmann ist inzwischen bereits mit dem Couplet „Ich lade gern mir Gäste ein“ zur Legende geworden. Warum sie aber dieses Paradestück so extrem aufreizend  vorgetragen hatte, war der Wirkung ihrer ansonsten glänzenden Leistung abträglich. Den Gefängnisdirektor Frank bietet der Wiener Bariton  Michael Kraus mit dem Charisma eines Lebemanns, wobei er jedes getrunkene Glas Champagner nutzt, um über die recht enge Bühne zu poltern.

Angenehm überraschte auch der Doktor Falke des Haus-Bariton Sebastian Wartig mit seinem Einstieg zum Chorwalzer „Brüderlein und Schwesterlein…“. Als Ida und Dr. Blind fügten sich die Mitglieder des Jungen Ensembles der Semperoper Tahnee Niboro und Beomjin  Kim recht ordentlich in die Sängergruppe ein.

 Klangerlebnis des Sivesterkonzerts nur durchwachsen

- Eingeschränkt für Besucher vort Ort, Großartig für Fernsehende -

TV-Produzenten unterworfen, musste man außergewöhnlich günstig sitzen, um ein ordentliches Klangerlebnis. Die schwierigste Aufgabe hatte unter den Bedingungen der Fernsehaufzeichnung in der halbszenischen Aufführung Franz Welser-Möst zu bewältigen, obwohl ihm das präzis auf kleinste Ansagen reagierende Orchester seinen Part erleichterte. Der von Cornelius Volke bestens vorbereitete Chor agierte als Orlofskys Festgesellschaft auf einem Podest hinter dem Orchester, so dass die Solisten im Regelfall hinter den Musikers auftraten und sich durch eine Gasse zur Rampe nach vorn bewegen mussten. Damit gerieten sie aus dem Blickbereich des Dirigenten.

Da alle Beteiligten ausgewiesene Profis sind, waren allerdings merkbare Verständigungs-probleme zwischen Gesang und Orchesterbegleitung nicht erkennbar und das Zusammenwirken perfekt.

Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 - hier :  Ensemble und Orchester © Matthias Creutziger
Staatskapelle Dresden / Silvesterkonzert 2018 - hier : Ensemble und Orchester © Matthias Creutziger

Bei allen begeisterten Ovationen erreichte der geniale Schwung der Musik das Publikum nur begrenzt, letztlich fehlte beim besuchten Konzert im Saal die eigentlich erforderliche lockere Stimmung. Das hatte sich dann beim zweiten Konzert nach einem Hinweis des TV-Produzenten leidlich verbessert, so dass das Ausstrahlungsfinale nicht so frostig daher kam.

Nervige TV - Kamerateams im Saal

Für den engagierten Besucher des Konzertes war allerdings die im Geschehen eingesetzte Kameratechnik recht nervig. Besonders wenn die Steadicam von zwei Herren mit eingeknickten Knien nahe an der Rampe vorbei getragen wird und im Publikum die ersten Wetten abgeschlossen werden, ob nicht einer beim Rückwärtsgang abstürzen werde.

Auch war die weit gefächerte Positionierung der Gesangs-Solisten vollständig den Anforderungen des TV-Produzenten unterworfen, so dass man außergewöhnlich günstig sitzen musste, um ein ordentliches Klangerlebnis zu erhalten. Befanden sich die Solisten hinter dem Orchester, so sangen sie über die Besucher der Parkettplätze bis zu den ersten zehn Reihen regelrecht hinweg.

Deshalb war uns das Hören des Produkts der Tontechniker des ZDF mit der heimischen HiFi-Anlage genussreicher.

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