Wuppertal, Wuppertaler Bühnen, Don Giovanni - Frauenheld nicht Wüstling, IOCO Aktuell, 18.11.2014
IOCO - Vorwort:
Die Oper Wuppertal orientiert sich im Rahmen ihrer Finanznöte neu. Repertoire-Theater war an der Oper Wuppertal finanziell nicht mehr darstellbar. Der Wechsel zum kostengünstigeren Stagione-System erfolgte mit dieser Spielzeit 2014/15. Der neue Intendant Toshiyuki Kamioka hat die undankbare Aufgabe, weil auch mit Entlassungen und Restrukturierung verbunden, in Wuppertal das in Deutschland noch wenig praktizierte Stagione-System einzuführen. Don Giovanni ist nach Tosca die zweite Stagione-Produktion der Wuppertaler Oper. Ein Scheitern des Stagione-Systemes hätte gravierende Konsequenzen für die Opernkultur im Raum Wuppertal.
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Don Giovanni Premiere 8.11.2014; weitere Vorstellungen am 14./ 15./ 16./ 19./ 22./ 28./ 29./ 30. November 2014; 5./ 6./ 7. Juni 2015
Don Giovanni: Bewunderter Frauenheld, kein Wüstling
Wolfgang Amadeus Mozarts (1756 – 1791) Welterfolg, die Oper Don Giovanni wurde in Herbst 1787 in Prag uraufgeführt. Ein „Spätwerk“ Mozarts; nur drei Opern sollten seinem Don Giovanni folgen: Cosi fan tutte, Die Zauberflöte und La Clemenza di Tito.
Der vollständige Titel Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni leitet seit jeher Emotionen und Erwartungen vieler, meist männlicher Regisseure und Intendanten. Sie machten Strafen, einen verruchten Wüstling, Dramatik zu einseitigen Dominanten ihrer Don Giovanni Inszenierungen. Männer begegnen Frauenhelden, Casanovas oder einem Don Juan nur selten entspannt. So liegt der Verdacht nahe, dass die penetrant dramatischen Interpretationen des Don Giovanni in männlichen Denkschablonen gründen. Wolfgang Amadeus Mozart sah seinen Don Giovanni, wenn auch düstere Töne die Komposition begleiten, eher als Dramma giocoso (Lustiges Drama) wenn nicht gar als Opera buffa (Komische Oper).
Umso wohltuender erscheint die Inszenierung des Don Giovanni von Thomas Schulte-Michels. Der aus dem Sprechtheater stammende Schulte-Michels bringt in seiner halb-szenischen Produktion einen buffonesken Don Giovanni auf die Bühne, in welchem der Charme von Stimmen und Gesang, das komödiantisch Menschliche, nicht der Konflikt triumphieren: In Hautnähe mit dem Publikum, ohne Kulissen und Bühnenbild, singen spielen die Darsteller auf dem abgedeckten Orchestergraben. Pralle, expressive Kostüme (Renate Schmitzer): Don Giovanni und Leporello in sattem Gelb, Donna Anna und Don Ottavio in kräftigem Lila, Donna Elvira in prallem Rot die Landbevölkerung in fettem Grün stimmen ein in den komödiantischen Grundton der Oper. Die sensibel facettenreiche Personenregie (Thorsten Klein) lässt keine Längen aufkommen: Charme, Spannung und Vitalität vermittelt die Handlung. Dazu nimmt das Licht der Fußbodenstrahler (Fredy Deisenroth) den überzeichnet geschminkten Gesichtern (Markus Moser) alles Dämonische und erzeugt vielmehr ein imaginäres Gefühl des Traumhaften, des Surrealen.
"Opernheld" Don Giovanni wird so zu einem alltäglichen, von Frauen geliebtem Schwerenöter reduziert; er ist kein infamer, dramatische Konflikte auslösender Wüstling. Durch die Nähe des Ensembles zum Publikum schuf Thomas Schulte-Michels eine menschlich intime Inszenierung, in welcher sich Farben, Frohsinn und Lebensfreude in Mozarts großartiger Musik und dem filigranen Libretto des Lorenzo da Ponte wiederspiegeln. Viel Zartes dieser Inszenierung berührt die Sinne.
Da das Ensemble vor den Besuchern auf dem Orchestergraben agierte, musste das Orchester, verkehrte Welt, auf die Bühne ausweichen. Die Wuppertaler Symphoniker unter Andreas Kowalewitz haben es, teilweise im Hintergrund der Bühne sitzend, schwer, dem Klang die richtige Balance zu geben. Der kräftige d-Moll Akkord der Ouvertüren-Eröffnung kommt denn zwar präzise aber doch etwas blass im Zuschauerraum an. Doch alles wird gut: Kowalewitz und seine Symphoniker gestalten Mozarts Komposition in der Folge mit guten Blick auf Tempi und Soli der Instrumente wie der Stimmen.
Das von der Oper Wuppertal ausgewählte Gäste-Ensemble ist homogen und stimmstark. Ihre räumliche Nähe zum Publikum läßt die Belcantopracht der Komposition ungehindert strahlen, Stimmenklang wurden zum besonderen Erlebnis für die Besucher. Sebastian Geyer besitzt als großer, gutaussehender Don Giovanni mit schmelzendem Bariton starke Bühnenpräsenz. Der
Koreaner Hye-Soo Sonn glänzt als vielseitiger, konspirativer Leporello mit kräftigem, wohltimbrierten Bassbariton. Zu seiner packend vorgetragenen Registerarie forderte und erhielt Hye-Soo Sonn donnernden Sonderbeifall. Auffällig auch Ramaz Chikviladze, welcher als Komtur mit kräftigem Bass aus hinteren Winkeln der Bühne Unheil drohend verkündet. Der junge Emilio Pons singt den Don Ottavio mit lyrisch gefärbtem Tenor. Große Präsenz zeigt Tatiana Larina als Donna Anna mit gleichbleibend sicherer dramatischer Ausdruckskraft. Marianne Fiset gibt im Reifrock der gespaltene Rolle der Elvira als verlassener Geliebter, Liebe suchender wie Mahnerin mit starkem, dramatischem Sopran ein gut passendes Gesicht. Damien Pass als Masetto und Ralitsa Ralinova als Zerlina spielen, singen die „naiven Unschuldigen wie Unbedarften vom Land“ mitreißend und runden damit eine starke geschlossene Ensembleleistung. Auch hatte Jens Bingert seinen Chor der Wuppertaler Bühnen bestens einstudiert.
Die Oper Wuppertal präsentiert mit dieser Inszenierung einen liebenswert buffonesken Don Giovanni. Thomas Schulte-Michels erzeugt durch die Nähe des Ensemble zum Publikum zudem eine Inszenierung, in welcher Mozarts Feuer und Grazie in selten intimer Weise spürbar wird. Das Publikum der vollbesetzten Oper dankte stürmisch. Intendant Kamiokas´ gerade begonnenes Stagione-System in Wuppertal ist mit solchen Produktionen auf einem guten Weg.
IOCO / Viktor Jarosch / 18.11.2014
Premiere 8.11.2014; weitere Vorstellungen am 14./ 15./ 16./ 19./ 22./ 28./ 29./ 30. November 2014; 5./ 6./ 7. Juni 2015