Die Semperoper wird für lange Zeit ohne Intendant auskommen müssen. Auf einen Generalmusikdirektor hatte die Semperoper bereits 2012 willentlich verzichtet: Man ist mit einem Chefdirigenten zufrieden; der heißt Christian Thielemann. Was ist passiert:
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Der für den 1.9.2014 geplante Amtsantritt des designierten neuen Intendanten Serge Dorny findet nicht statt. Dorny sollte die im Sommer 2012 verstorbene Intendantin Ulrike Hessler ersetzen. Der im Herbst 2013 unterschriebene Vertrag hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Nun wurde Dorny, vor Amtsantritt, fristlos gekündigt. Die verantwortliche Kunstministerin von Sachsen, Sabine von Schorlemer, begründete die Kündigung in harten Worten damit, dass „Serge Dorny entgegen seinen Zusagen in den vergangenen Monaten leider kein Klima des gedeihlichen und vertrauensvollen Miteinanders mit den Mitarbeitern etablieren konnte...Vorhandenes und entgegengebrachtes Vertrauen von allen Beteiligten hat er in kürzester Zeit verspielt...nicht bereit war, sich auf die Bedingungen eines großen Repertoiretheaters einzulassen....unangemessene Kommunikation“.
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Gemeinsam mit von Schorlemer ("Dorny habe sich menschlich höchst unanständig verhalten“) stimmten auch Wolfgang Rothe, kaufmännischer Direktor, und Christian Thielemann, Chefdirigent der Semperoper, in eine lautstarke Verurteilung Dornys ein und unterstützten männlich-markig den sofortigen Rausschmiss. Thieleman: „dass er auch meinem Orchester an den Kragen gehe“. Dorny erfuhr von seiner Entlassung übrigens erstmals am 21.2.2014 12.01 Uhr durch die öffentliche Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, dem Ministerium, welches in seiner Meldung Dorny auch unangemessene Kommunikation vorhält.
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Ob die vorgetragenen Gründe den strengen Anforderungen an eine wirksame fristlose Kündigung standhalten, bleibt abzuwarten. Mit dieser Kündigung ging die Semperoper ein Finanzrisiko von weit über einer Million Euro ein. Ein Risiko, für welches am Ende der Steuerzahler herhalten muss. Die dilettantisch wirkende Entlassung Dornys wirft zwangsläufig auch Fragen nach Qualifikationen und Zuständigkeit der für die Semperoper handelnden Personen auf. Zu vermuten steht, daß der an der Semperoper künstlerisch zentrale, aber, da nur Chefdirigent, juristisch unsichtbare Christian Thielemann zur fristlosen Entlassung eines kommenden Intendanten eheblich beigetragen hat.
Rückblende: Im Herbst 2009 unterschrieb Christian Thielemann in Dresden einen ab 2012 wirksamen Dienstvertrag mit der Semperoper. Der damalige Generalmusikdirektor der Semperoper,Fabio Luisi, kündigte kurz darauf, im Januar 2010, seinen bis Ende 2011 laufenden Vertrag fristlos. Vermuteter Grund: Thielemann habe seinen damaligen Chef GMD Luisi für das Semperoper ZDF – Sylvesterkonzert 2010 wenig kollegial herausgekegelt. Luisi reagierte seinerzeit ebenso drastisch wie nun die Semperoper mit Dorny verfährt. Er weigerte sich, an den Arbeitsplatz nach Dresden zurück zu kehren. Am 10.2.2010 wurde Thielemann als neuer Chefdirigent vorgestellt: Vertrag von 2012 bis 2019. Die Beschränkung der Funktion Thielemanns auf die Funktion des Chefdirigenten wurden ausdrücklich betont, damit sich Thielemann „auf die künstlerischen Aspekte seiner Tätigkeit konzentrieren könne“.
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Vor dem Streit mit Fabio Luisi scheiterte Christian Thielemann bei den Münchner Philharmonikern: Nicht als Dirigent oder Künstler; in dieser Funktion war er hoch geschätzt. Als Organisator besaß Thielemann keine Akzeptanz. Der Münchner Stadtrat hatte mit schallenden 79 : 1 gegen die Verlängerung des 2011 in München auslaufenden Vertrag mit Christian Thielemann gestimmt.
Grund des eindeutigen Wahlausgangs waren Thielemanns überzogene Forderungen primär im organisatorischen Bereich. Selbst das Orchester, die Münchner Philharmoniker, stützte die Entscheidung des Stadtrats, bei allem Bedauern über die künstlerischen Folgen. Die Philharmoniker klagten seinerzeit öffentlich, dass „neben der einzigartigen künstlerischen Qualität in der musikalischen Arbeit (NB: der Arbeit von Thielemann).... gab es im administrativen Miteinander von GMD, Intendant und Orchester zunehmend Konflikte“, welche „letztlich den Wunsch des Orchesters nährten, Kompetenzen anders zu gestalten (NB: anders, als von Thielemann gewünscht)“. Unpraktikable administrative Ansprüche besiegelten Thielemanns Aus in München.
Das Aus von Serge Dorny an der Semperoper besitzt im Umfeld von Chefdirigent Thielemann einen Hauch von Routine und bestätigt den Entscheid von Münchner Stadtrat und Münchner Philharmoniker aus 2009: „Kunst den Künstlern aber Organisation den Managern". IOCO / Viktor Jarosch