Wien, Burgtheater, Die Krisen reicher Sprechtheater, IOCO Aktuell, 07.03.2014
Mit den Stück "Eine Billion Dollar“ schloss im Juli 2013 das Wuppertaler Schauspielhaus nach Jahren schleichender Krise endgültig aber geordnet seine Pforten. Hoher Sanierungsbedarf, sinkende Zuschauerzahlen und eine verschuldete Stadt ließen keine andere Möglichkeit. Heinrich Böll´s große Wuppertaler Rede in 1966 zur „Die Freiheit der Kunst“ verhallte im armen Wuppertal. Streng folgte man den Zwängen wirtschaftlicher Realitäten. „Eine kleine Großstadt mit zwei riesigen Theatern (NB: Opernhaus und Schauspielhaus)“, resümierte, Intendant Christian von Treskow sinngemäß resigniert, „sei nicht finanzierbar.“ Sprechtheater sind in der Krise, seit Jahren sinken die Besucherzahlen. Wuppertal stellte sich dieser Realität.
Ausgerechnet reiche Theater, das Düsseldorfer Schauspielhaus und das Wiener Burgtheater begegneten der Krise der Sprechtheater weniger problembewusst: "Kreativität in Büchern" heißt eine Zauberformel, mit der Besucherrückgänge und Verluste "künstlerisch" über Jahre verdeckt wurden. Beide Theater stehen nun vor einem künstlerischen wie finanziellen Scherbenhaufen.
Das Schauspielhaus Düsseldorf, mit 1.050 Plätzen zweitgrößtes Sprechtheater Deutschlands, Jahresetat 24 Mio. Euro mit über 300 Mitarbeiter, ist seit Jahren in einer Krise. Groß war die Aufregung im November 2012, als der Intendant Staffan Holm (55) nach nur einem Jahr in Düsseldorf wegen eines angeblichen Burn-outs über Nacht sein Amt am Schauspielhaus niedergelegte. „Es ist schwierig in Düsseldorf durchzudringen, mit der Stadt zu kommunizieren. Das hat lange Tradition und viele Gründe“, klagte Holm damals enttäuscht; überfordert von der Aufgabe und schwierigen persönlichen Lebensumständen. Doch schon die Amtszeit seiner Vorgängerin Amélie Niemeyer war von Enttäuschungen und Zuschauerschwund gezeichnet.
Nun wurde der Geschäftsführer und Interim-Intendant des Schauspielhauses, Manfred Weber, zum 28. Februar 2014 nahezu fristlos freigestellt, sein Vertrag wurde zum 30. September 2014 einvernehmlich beendet. Der Grund: Die Gesellschafter, die weitgehend schuldenfreie Stadt Düsseldorf und das Land NRW, entdeckten ein über Jahre bestehendes „überraschendes Defizit“ von 5,4 Millionen Euro. Nur eine Sonderzahlung der reichen Gesellschafter verhinderte die Insolvenz des Schauspielhauses. Genaues zu den Ursachen der Schieflage wurde nicht genannt (angeblich waren Umbauten nicht separat verbucht, Einnahmeplanungen unrealistisch.....). Gemeinsam mit Weber wurde Stillschweigen vereinbart. Die Wirtschaftsprüfer BDO hatten zuvor den Jahresabschluss des Theaters uneingeschränkt testiert. Einen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten gab BDO nicht. Stadt-eigene Prüfer fanden ebenfalls nichts suspekt.
Interimistisch sollen Ex-Intendant Günther Beelitz (75) und Alexander von Maravic (64) für zwei Jahre die Zuschauer- und Kostenkrise des Hauses klassisch marialisch richten: Das Ruder herum-, Zuschauer mit-, die Auslastung hochreißen. Dirk Elbers, Oberbürgermeister Düsseldorfs, erklärt, das Haus wirtschaftlich auf solide Füße stellen zu wollen. Die Mitarbeiter warnen, “kulturpolitische Machtkämpfe auf dem Rücken der Mitarbeiter auszutragen.“ Nur Thomas Sternberg, Mitglied der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, erklärte eindeutig ehrlich: "Das Schauspielhaus brennt".
Auch im Wiener Burgtheater, Mekka abendländischer Sprechtheater, mit einem Etat von etwa 50 Mio Euro eines der reichsten Theater der Welt, wurde, wie in Düsseldorf, über Jahre praktiziertes, merkwürdiges Buchen festgestellt. Zuständige Amtsträger hatten auch in Wien davon nichts bemerkt. Dabei klagte Burgtheater Intendant Matthias Hartmann schon zur Spielplanpräsentation 2013/14 am 16. Mai 2013 eindeutig wissend über die Finanzlage des Hauses: „Der Tag, an dem es nicht mehr geht, ist bereits verstrichen.“ Und legte am 13. Oktober 2013 sinnig nach: „Der Zeitpunkt, an dem nichts mehr finanzierbar ist...unerkannterweise überschritten; es ist an der Politik zu entscheiden..“
Doch im November 2013 wurde an der "Burg" eine Lawine losgetreten: Vizedirektorin Silvia Stantejsky wird aufgrund „des Unverzüglichkeitsprinzips“ fristlos entlassen. Angeblich sei sie für ein laufendes Defizit von 13 Millionen Euro (geänderte Abschreibungen, mangelnde Buchführung, Nichteinbehalt von Steuern ausländischer Künstler) verantwortlich sei. Die gefeuerte Stantejsky bestreitet die Vorwürfe und hat Kündigungsschutzklage eingereicht, Begründung: „Die Kontrollinstanzen des Burgtheaters waren immer über die Buchführung informiert.“ Im Januar 2014 spricht Intendant Matthias Hartmann davon, von seinem Vorgänger Klaus Bachler, heute Intendant der Bayerischen Staatsoper, Verbindlichkeiten von 15,3 Mio. Euro geerbt zu haben. Eine Behauptung, welcher Klaus Bachler unverzüglich und vehement widersprach: "Die Geschichte wirkt wie eine Farce von Qualtinger". Hartmann-Chef Georg Springer wiederum stützt ein gutes Gewissen auf ein Testat der Wirtschaftsprüfer vom Februar 2013.
Das Ensemble glaubt mehrheitlich der Darstellung nicht, wonach Stantejsky die alleinige Schuld an der finanziellen Misere „der Burg“ trage. Eine Sonderprüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG soll nun das Finanzgebaren des Burgtheaters überprüfen, ein Untersuchungsausschuss der Regierung ist geplant. Das Burgtheater wird dieses Finanzdebakel und Untersuchungsausschüsse gut überleben; denn Wien ohne Burgtheater ist eben nicht vorstellbar.
Dagegen überlebte das Wuppertaler Theater seine Krise nur eingeschränkt und ist doch Vorbild für verantwortungsbewußtes Krisenmanagement. Die Theatermanager in Düsseldorf und Wien bewiesen überzeugend: Sie taugen nur für die Bühne, nicht jedoch für reales Leben.
IOCO / Viktor Jarosch / 07.03. 2014
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