Berlin, Staatsoper Unter den Linden, Sanierung - Russische Verhältnisse - Teil 2, IOCO Aktuell, 23.01.2013

Berlin, Staatsoper Unter den Linden, Sanierung - Russische Verhältnisse - Teil 2, IOCO Aktuell, 23.01.2013
Aktuell

Staatsoper im Schiller Theater

Staatsoper Unter den Linden _ wird teuer saniert © IOCO
Staatsoper Unter den Linden _ wird teuer saniert © IOCO

  Das  Berliner Lindenoper - Debakel

Viel Geld um Nichts   -   Veni, Wowi, Wirrwarr

von Viktor Jarosch

Die Sanierung der Berliner Staatsoper Unter den Linden wird von Streit und negativen Überraschungen begleitet. Seit Ende 2009 wird die Staatsoper saniert. Die Staatsoper und ihre aufwändige Organisation produziert seither imposantes Musiktheater im kleinen Schillertheater (940 Plätze) an der Bismarckstrasse; Tür-an-Tür mit der großen Deutschen Oper Berlin (1859 Plätze). Die Sanierung der Staatsoper sollte ursprünglich €239 Mio betragen, die Wiedereröffnung  war für Herbst 2013 geplant: alles inzwischen Schall und Rauch. Nur, offizielle, belastbare Eingeständnisse des Berliner Senats über die neue Wirklichkeit zur Staatsoper fehlen bisher. Die Sanierung der kleinsten Staatsoper der Welt (1396 Plätze) wird laut letzten Verlautbarungen nicht 2013 sondern erst 2015 beendet. Doch Berlins Bausenator Michael Müller hält die Wiederöffnung der Staatsoper in 2015 als kritisch, da „der Zeitpuffer aufgebraucht“ sei.  Das Sanierungsdebakel um die Berliner Staatsoper entwickelt sich zu einer preiswerten Blaupause des Berliner Flughafenspektakels. Dem Flughafendebakel begegnen Bürgermeister Wowereit wie Berliner Senat bisher medienwirksam und selbstbewußt mit Kündigungen und Personalrochaden. Die Staatsoper-Sanierung nimmt einen ähnlichen Verlauf. Verzögerungen von mindestens zwei Jahren sind bereits  amtlich. Ein Kostenanstieg über die ursprünlich genannten €239 Mio wird noch nicht eingestanden. Doch weiteres Unheil deutet sich an. Der Berliner Senat kündigte Ende Oktober 2012 den Sanierungs-Projektsteuerer, der Firma Drees & Sommer, im “gegenseitigen Einvernehmen“. Kündigungsgründe wurden bisher nicht genannt. Interimsmanager steuern seither die Sanierung der Staatsoper. Eine Neuausschreibung über die Projektsteuerung soll kurzfristig erfolgen. Nicht allein Sprecher der Grünen-Fraktion wie Andreas Otto und Sabine Bangert mutmaßen seither, dass weitere Verzögerungen und Kostensteigerungen kommen werden.
Schiller Theater - Spielstätte der Staatsoper © IOCO
Schiller Theater _ Interim-Spielstätte der Staatsoper © IOCO
Bei der Architektur von Theatern wetteifern künstlerische und bauspezifische Ansprüche gegeneinander. So mischen auch an der Staatsopern-Sanierung Künstler aller Couleur mit: Der Hauptopernbau, ein 115 Meter langer unterirdischer  Kulissen-Versorgungsgang wie die Behandlung von Pfahlbauten aus dem 15. Jahrhundert stellt  höchst komplexe Anforderungen an Ingenieure und Baufirmen. Dazu fordert Generalmusikdirektor Daniel Barenboim zur Akustik im Zuschauerraum eine nur teuer zu realisierende Verlängerung der Nachhallzeit im Saal um 0,4 Sekunden. Auch möchte Barenboim eine Musikakademie für Musiker aus dem Nahen Osten im früheren Magazingebäude einrichten. Diese neue Musikakademie, deren Kosten  der Bund übernimmt, ist technisch an die Sanierung der Staatsoper gebunden. Doch Barenboim fordert noch mehr: Er möchte das Opernhaus bereits im Oktober 2014 eröffnen und,  quasi nebenbei, weiter sanieren. Daneben schwelt ein jahrelanger Streit über die Neugestaltung des Zuschauerraumes von Richard Paulick. Eine so unübersichtliche Gemengelage wird viele potentielle Projektsteuerer abschrecken. Der Berliner Senat verhält sich auch zu den Kosten der Staatsoper-Sanierung schmallippig: Seit 2008, und trotz der seit langem bekannten Terminverschiebungen um mindestens zwei Jahre, publizierte der Senat bis Dezember 2012 mantrahaft Sanierungs-Gesamtkosten von €239 Mio, von denen der Bund €200 Mio trägt. Erst seit Dezember 2012 wird in Senatsvorlagen eingeräumt, dass der Umbau des Opernhauses €288 Mio kosten könne, allerdings ohne die zuvor beschriebene Barenboimsche Musikakademie. Die Mehrkosten von zur Zeit € 50 Mio hätte allein das Land Berlin zu tragen. Dass der vom Senat neu zu bestellende Projektsteuerer die Sanierungs-Eckpunkte "Eröffnungstermin Herbst 2015 und Gesamtkosten € 288 Mio" verpflichtend übernimmt, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich ist vielmehr, so  Manager der Baubranche, dass beteiligte Unternehmen für angefallene zeitliche Verzögerungen hohe Nachforderungen stellen werden, die den intern neu gesteckten Rahmen von €288 Mio erheblich überschreiten werden. Das etwas zynische Tiefbauergesetz “Die Gewinne der Baufirmen liegen meist in der Nachforderung“ wird auch bei den erheblichen zeitlichen Verzögerungen der Staatsoper-Sanierung greifen. Der kommende Projektsteuerer übernimmt ein zutiefst vergiftetes Projekt. Nach IOCO - Berechnungen wird die Sanierung bis 2017 dauern.  Die Gesamtkosten der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden werden sich auf etwa € 500 Mio belaufen. IOCO-Berechnungen schließen ein: Direkter Sanierungsaufwand der Staatsoper, Bau einer Musikakademie, aufwändige Sanierung und  verlustreicher Betrieb der kleinen Ausweichspielstätte Schillertheater, Kapitalkosten für eine mindestens 6-jährige Bauzeit.
Hilft ein Gebet im nahen Berliner Dom © IOCO
Hilft ein Gebet im nahen Berliner Dom © IOCO
Russische Freunde in Berlin öffnen eine Flasche Wodka und fühlen sich heimisch. Zu Recht, denn die 7-jährige Katastrophen-Sanierung ihres Moskauer Bolschoi-Theater ähnelt verblüffend den Vorgängen an der Staatsoper Unter den Linden. Der bleibende Unterschied: Die Sanierung des Bolschoi Theater gilt technisch wie ästhetisch gelungen, wenn auch dabei als teuerste und prunkvollste Theatersanierung der Welt. Mit der Staatsoper Unter den Linden in Berlin dagegen wächst für üppige €500 Mio in Berlin ein durchschnittliches Opernhaus heran, dessen neuen Zuschauerraum keiner so wollte und niemandem gefallen wird! Mit schlechter Bühnensicht für die meisten Rand- und Rangplätze. Dank Daniel Barenboim allerdings mit einer um 0,4 Sekunden verlängerten Nachhallzeit.   IOCO / Viktor Jarosch / 30.01.2013

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