Köln, Oper Köln, Macht des Schicksals - Macht der Bilder, IOCO Kritik, 18.09.2012
Oper Köln
Die Macht des Schicksals von Giuseppe Verdi "Die Welt dreht sich, aber alles bleibt gleich".
Die am Offenbachplatz in Köln gelegene Hauptspielstätte der Oper Köln wird saniert. Der Musical Dome Köln, von 1996 bis 2011 Wallfahrtsort für großes Musical wie Saturday Night Fever, dient nun der Oper Köln bis 2015 als Interimspielstätte. Name: Oper am Dom. Der attraktive blaue Glas-Stahl-Bau ist direkt an der Rheinuferpromenade und in unmittelbarer Nachbarschaft zu Dom und Bahnhof gelegen. Umgebaut, die Akustik auf Opernqualität ertüftelt, wurde die Oper am Dom im Mai 2012 mit Tosca glänzend eingeweiht. Die Macht des Schicksals von Giuseppe Verdi wurde am 16. September 2012 zur zweiten erfolgreichen Bewährungsprobe in der Oper am Dom.
Die Macht des Schicksals wurde 1862 im Kaiserlichen Theater in St. Petersburg erfolgreich uraufgeführt. In der Oper am Dom wurde die heute überwiegend gespielte Neufassung der Oper von 1869 produziert. Die Premiere der Oper Köln am 16.9.2012 in ausverkauftem Haus wurde zu einem Erfolg. Der vom Publikum umjubelte Ex-Intendant Uwe Eric Laufenberg feierte mit.
Die Macht des Schicksals ist ein sperriges Stück, zerrissen in freudloser Polarität zwischen Krieg, Feldlager und religiöser Weltflucht. Zahllose unübersichtliche Episoden, Grotesken, Neben- und Hauptpersonen begleiten die drei zentralen Protagonisten, das Liebespaar Leonora di Vargas und Alvaro, welches sich in der Oper nur zu deren Beginn und Ende kurz begegnet und Leonoras Bruder Don Carlo. Der Titel der Oper signalisiert: Der Zufall, der Fatalismus ist das wahrhaft bestimmende Element des Lebens. Der Mensch ist zur Selbstbestimmung unfähig.
Und doch gibt der französische Regisseur Olivier Py, in seiner ersten Inszenierung einer Verdi-Oper, der komplexen Gemengelage mit veristischen Bühnenbildern einen strukturierten wie dramaturgisch passenden Rahmen: Desillusionierende Projektionen früher Industrialisierung, eine dunkle Ziegelsteinwand als Bühnenvorhang, millimetergenau von Hand geführte Fabrikkulissen und beständig langsam drehende riesige Förderräder vermitteln anschaulich die düstere, albtraumhafte Verlorenheit der Handlung (Bühne und Kostüme Pierre-André Weitz). Ob Liebende, Opportunist oder Hassender: Alle Menschen sind Abhängige im Räderwerk der Lebenszufälle. Männer zelebrieren männlich archaische Verhaltensmuster: Gewalt scheuen sie nie. Der Krieg (Arie und Chor: Viva la guerra) ist des wahren Mannes Abenteuerspielplatz. Auch "Ehrenmann" Don Carlo reiht sich mit seinem Vertrauensbruch gegenüber dem "Blutsbruder" Alvaro ein in die Hybris fehlgeleiteten Stolzes (Arie: Ein Eid ist dem Mann von Ehre heilig), welcher letztlich zum unverstandenen eigenen Untergang führt. Frauen, nutzen ihre gewaltfreien Räume in imposant wie profan inszenierten Volksszenen als Fabrikarbeiterinnen, Prostituierte oder Marketenderinnen. Selbst unendlich gut gelungene Momente des Erhabenen (Gebete und Pilgerchor im 1. und 3. Akt) heben nicht die bleierne Düsternis der Handlung auf. Olivier Py zeichnet in dieser beeindruckenden Inszenierung die Hoffnungslosigkeit einer Welt, welche sich trotz dauerndem Krieg, Tod und Elend nicht wandelt, weil sich dessen Menschen nicht verändern: "Die Welt dreht sich, aber alles bleibt gleich".
Der Verdi und Italien-erfahrene Dirigent Will Humburg und das Gürzenich-Orchester Köln finden schon mit dem Schicksalsmotiv der Ouvertüre zu exzellenter Form. Die unterschiedlichen Spannungselemente des Werkes, bunter Volkstrubel, Leidenschaft, Kriegsgetümmel wie Humoresken zeichnen Humburg und das Gürzenich-Orchester mit ungekappter Energie, subtil wie mit rhythmischer Vehemenz. Große Gefühle interpretiert das Orchester beredt und beweglich, bis hin zu den von Verdi geforderten tiefen Blechregistern. Sängerisch wird der Abend maßgeblich von der wunderbaren Adina Aaron in der Partie der verletzlichen, einsamen Leonora di Vargas gestaltet.
In ihrem Rollendebüt bannte Adina Aaron den Besucher mit wunderbar sicher timbriertem Ausdrucksrepertoire; ihre Höhen und Mittellagen unangestrengt kraftvoll, die Piani lyrisch ausdrucksstark. Enrique Ferrer, als Alvaro ebenfalls in seinem Rollendebüt, und Anthony Michaels-Moore als Don Carlo überzeugen besonders in den dramatischen Momenten mit stilsicheren Stimmen und der nötigen Intensität. Breite Begeisterung lösten die hervorragend besetzten Partien des buffonesken Fra Melitone (Patrick Carfizzi), der Preziosilla (Dalia Schaechter), welche mit sattem Alt die Tessitura der schweren Rataplan-Arie bestens bewältigt und Liang Li, welcher der großen Partie des Padre Guardiano mit schönem lyrischen Bass eigenes Charisma verleiht. Andrew Ollivant leitete einen Chor und Extrachor der Spitzenklasse: Ohnehin von ausnehmend zentraler Bedeutung in dieser Oper, präsentierte sich der riesige Chor der Oper Köln gut geführt in klanglich gewaltiger wie exzellenter Form.
Die Macht des Schicksals ist eine große Verdi-Oper mit schwierigem Zugang, für den Regisseur wie den Besucher. Die Inszenierung von Olivier Py ist packend authentisch. Sie zeichnet auf der Bühne der Oper am Dom ein facettenreiches, tragisch wie burleskes Menschenbild, welches in menschlichem Verirren und Getrieben-Sein der Macht des Schicksals nicht entkommt. Mit der Gefühlstiefe der Musik von Giuseppe Verdi, mit gut disponiertem Ensemble und gewaltigem Chor ist Olivier Py in Köln eine herausragende Inszenierung gelungen.
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