Barbara Miszel Giardini - In Gedenken an die polnische Mezzosopranistin, IOCO Portrait, August 2014
Barbara Miszel Giardini – Mezzosopran mit 81 Jahren gestorben
“Eine Stimme mit überwältigender Ausdruckskraft, sowohl in dramatischen als auch lyrischen Rollen” (Düsseldorfer Nachrichten)
Eine bescheidene Diva mit großartiger Stimme ist tot. Die polnische Mezzosopranistin Barbara Miszel Giardini starb vergangene Woche im Alter von 81 Jahren in Berlin. Die Sängerin wurde in Opernhäusern in ganz Europa für ihre Interpretationen so unterschiedlicher Rollen gefeiert, wie Bizets Carmen, die Titelrolle von Rossinis „La Cenerentola”, oder die Judith in Honeggers hochgelobtem gleichnamigen Werk. Die wenigen Aufnahmen, die von diesem außergewöhnlichen Mezzosopran existieren, zeugen von der Wärme und Schönheit ihrer Stimme, genauso wie von ihrer großen Kunst.
Zahlreiche Opernkritiker haben auf Miszel Giardinis exquisite Stimme hingewiesen, aber auch ihrer tadellosen Technik applaudiert, die es ihr erlaubte nicht nur dramatisches Repertoire mit großer Intensität zu singen, sondern auch virtuose Koloraturpassagen sehr klar und präzise auszuführen – etwas, was nur wenigen Sängern und Sängerinnen gegeben ist.
Die große italienische Mezzosopranistin Gianna Pederzini – eine der meist gefeierten Carmen des 20. Jahrhunderts – sagte 1984 in einem Interview über ihre Kollegin: “Miszel besitzt eine der außergewöhnlichsten Stimmen.“ Und die Düsseldorfer Nachrichten lobte ihre Stimme für „überwältigende Ausdruckskraft sowohl in dramatischen als auch lyrischen Rollen“.
Barbara Miszel Giardini wurde 1932 in Lemberg im damaligen Polen - heute Ukraine - geboren. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges zog ihre Familie nach Warschau. Dort war sie Zeugin des Elends im Warschauer Ghetto und der Zerstörung ihrer geliebten Stadt während der Nazi-Besatzung Polens. Ihr ganzes Leben lang erinnerte sie sich häufig an ihre schrecklichen Kindheitserfahrungen in Warschau.
Die junge Barbara wollte zunächst Medizin studieren, aber eine zufällige Begegnung führte dazu, dass sie vorsang, um an der Musikhochschule Fryderyk Chopin in Warschau Gesang zu studieren. Sie bekam den Platz und beendete ihr Studium offenbar mit großem Erfolg. Nur drei Jahre später gewann sie den ersten Preis beim angesehenen Nationalen Sängerwettbewerb in Warschau.
Es folgte eine Reihe von Aufnahmen für den polnischen öffentlich-rechtlichen Sender Polskie Radio, vor allem Lieder von Moniuszko, Karlowicz, Niewiadomski, Zelenski, Opienski und Foster sowie Schumann und Brahms. Ihre ganze Karriere über lobten Kritiker Miszel Giardinis Lieder-Interpretationen für ihre Sensibilität und die Aufmerksamkeit, der sie der Sprache und lyrischen Nuancen widmete.
Ihr Bühnendebüt hatte Barbara Miszel Giardini 1956 mit einem Engagement am Stadttheater Posen. Dort sang sie den Hänsel in Humperdincks “Hänsel und Gretel“ und Magdalena in Verdis “Rigoletto.”
Es folgte die Rolle der Marina in Mussorgskis “Boris Godunow” an der Warschauer Oper sowie die der Amneris in “Aida” und schließlich die Titelrolle in Honeggers “Judith”, die zu einer ihrer meist gefeierten Rollen wurde. Tatsächlich bleibt ihre Aufnahme von “Judith” mit dem polnischen Symphonieorchester dirigiert von Henryk Czyz, bis heute ein Meilenstein und wird häufig von Polskie Radio gesendet.
Bereits am Anfang ihrer Karriere hatte Barbara Miszel Giardini viele Konzertengagements. Sie trat regelmäßig mit polnischen Philharmonien wie der Warschauer Philharmonie, der Krakauer Philharmonie und dem polnischen Rundfunk-Symphonieorchester auf und sang bei Gastspielen in Dänemark, Jugoslawien und Italien.
In Jahr 1960 ermöglichte ein Stipendium der jungen Sängerin, an der Mailänder Scala zu studieren. Dies waren prägende Jahre für ihre Karriere. Schließlich war Mailand damals das Epizentrum der Oper in Europa. Neben der exzellenten Ausbildung, die das Gesangsstipendium ihr ermöglichte, hatte sie die Gelegenheit, einige der größten Sängerinnen und Sänger des 20. Jahrhunderts zu hören. Sie erinnerte sich oft daran, Opernstars wie Maria Callas, Joan Sutherland, Renata Tebaldi und Guiseppe Di Stefano, die alle regelmäßig an der Scala auftraten, auf der Höhe ihrer Karrieren gesehen zu haben.
Im Jahr 1962 heiratete Barbara Miszel den italienischen Physiker Salvatore Giardini und das Paar zog nach Rom. Nach der Geburt ihres Sohnes kehrt die Sängerin auf die Bühne zurück. Zunächst in Polen an der Warschauer Oper, wo sie eine sehr gefeierte Carmen sang, später in Deutschland war sie am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden, an der Kölner und der Frankfurter Oper sowie der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu hören.
In den folgenden Jahrzehnten erlebte die Oper am Rhein eine goldene Zeit.
Das Haus florierte unter der Leitung des legendären Opernintendanten Grischa Barfuss, der ein großer Bewunderer Miszel Giardinis war.
Er überzeugte die Sängerin, Wiesbaden zu verlassen und ins Ensemble nach Düsseldorf zu kommen.
Das Haus spielte eine wichtige Rolle für die Mezzosopranistin, da sie neben ihren gefeierten Rossini-Rollen viel Anerkennung der Kritiker für ihre Interpretation dramatischer Verdi-Figuren erhielt, wie etwa Eboli in „Don Carlos“, Azucena in „Troubadour“, Ulrica in „Ein Maskenball,“ Quickly in „Falstaff“ sowie Santuzza in Mascagnis „Cavalleria Rusticana“.
In den 70er und 80er Jahren Barbara Miszel Giardini regelmäßig an vielen führenden europäischen Opernhäusern zu sehen, wie Paris, Lyon, Zürich, Basel, Athen, Luzern, Aarhus und Genf.
Sie sang verschiedene Rollen, von Amneris in Verdis Aida bis hin zu virtuosen Rossini-Charakteren wie der Isabella in “Eine Italienerin in Algier, Rosina in “Der Barbier von Sevilla” oder die Titelrolle von „La Cenerentola”. An der Deutschen Oper am Rhein sang sie all diese Rossini Werke in den renommierten Produktionen des Regisseurs Jean-Pierre Ponnelle.
Während ihrer Karriere arbeitete der Mezzosopran mit Dirigenten wie Henryk Czyz, Heinz Wallberg, Georg Schmöhe und Alberto Erede, u. A..
Eine Aufführung von Honeggers “Judith” mit Herbert von Karajan war geplant, aber sie war gezwungen, das Konzert wegen des plötzlichen Todes ihrer Mutter abzusagen.
Barbara Miszel Giardinis warme und freundliche Art machte sie zu einem sehr beliebten Ensemblemitglied und sie gewann im Laufe ihrer Karriere viele großartige Freunde. Dazu gehörten nicht nur Sängerkollegen und Dirigenten, sondern auch Korrepetitoren, Pianisten, Chormitglieder, Make-up- und Kostümkünstler und Sekretärinnen. Sie wurde von denen, die das Privileg hatten, mit ihr zu arbeiten, gemocht und wertgeschätzt; viele wurden lebenslange Freunde.
So wichtig ihre Karriere für sie war – die Familie kam für Barbara Miszel Giardini an erster Stelle. Obwohl ihre Stimme noch in Höchstform war, führte Ende der 80er eine persönliche Tragödie dazu, dass sie der Bühne den Rücken kehrte.
Sie ließ sich daraufhin in Düsseldorf nieder. Sie blieb zwar interessiert an den Geschehnissen in der Opern- und Musikwelt, begann aber zunehmend das Reisen ohne anstrengende Probentermine zu genießen. Sie unterrichtete ein bisschen, fand aber, dass diese Tätigkeit nichts für sie war.
Sie blieb immer bescheiden und sprach über ihre bemerkenswerten Erfolge nur, wenn man sie danach fragte. Im Jahr 2011 zog Barbara Miszel Giardini nach Berlin, wo sie am 19. August 2014 starb.
Sie hinterlässt ihren einzigen Sohn, den Opernbühnen- und Kostümbildner Gilberto Giardini.
Breandáin O'Shea (Musikjournalist, Berlin)Deutsche Übersetzung: Carola Torti